Alle müssen Energie sparen – aber wie kommen unsere Unternehmen durch den Winter? Das war das Thema der Zukunftswerkstatt von RP und Volksbank Kleverland. Klar wurde: Die Unternehmen kämpfen mit mehreren Krisen.
VON MATTHIAS GRASS
KLEVE | Eigentlich ist die Vorgabe ganz einfach: „Jede Kilowattstunde Energie, die ich nicht verbrauche, ist die beste Ersparnis“, bringt es der Klever Energieberater Franz-Josef Schoofs auf den Punkt. Und was hat Betriebe und Verbraucher in der Vergangenheit daran gehindert, sich daran zu halten? Auch diese Antwort ist ganz einfach: „Weil die Energie zu billig war.“
Allerdings haben politische Programme wie beispielsweise beim Wohnungsbau schon geholfen, die Verbräuche zu drücken – vor allem im Geschosswohnungsbau. Diese Förderungen fallen derzeit für Neubauten, eine Förderung für Altbauten gibt’s noch: „Die Sanierung alter Häuser muss verdoppelt werden“, sagt Schoofs. Und auch die Wirtschaft hat das Energiesparen entdeckt: Er habe kürzlich eine Firma beraten, 500 PCs seien dort in Betrieb. Und alle seien im Feierabend im Standbye weitergelaufen. Man müsse die Mitarbeiter mitnehmen, sie nach ihren Ideen fragen, sie motivieren und Anreize geben, Energie zu sparen. Schoofs ist als Energieberater ausgebucht: Jetzt stehe die energetische Sanierung im Denkmalschutz und im Bestand im Vordergrund, es gelte, Firmen zu beraten, wo gespart werden kann. „Es braucht immer eine differenzierte Betrachtung“, sagt Schoofs.
Die Zukunftswerkstatt von Rheinischer Post und Volksbank Kleverland drehte sich ums Thema „Alle müssen Energie sparen – aber wie kommen unsere Unternehmen durch den Winter?“ Claudia Dercks, Geschäftsführerin der Stadtwerke Kleve, Jürgen Esser, Geschäftsführer HTS Hüttges Transport Service, Wolfgang Gebing, Bürgermeister der Stadt Kleve, Christian Nitsch, Inhaber der Clivia-Gruppe, Franz Josef Schoofs von Energieberater Schoofs Umwelt- und Energieberatung und Nicky Siebers, Geschäftsführer der Gebrüder Siebers Tiefbau GmbH sowie Christoph Thyssen von der Volksbank Kleverland diskutierten teils kontrovers unter der Moderation von RP-Lokalchef Ludwig Krause.
Nicky Siebers machte das Dilemma deutlich, in dem viele Firmen stecken. Es gibt noch Aufträge bis weit ins nächste Jahr, da habe er im Gegensatz zu kleineren Firmen, die Einfamilienhäuser bauen, keine Sorgen, erklärte er auf die Frage, wie weit man als Unternehmer noch schauen könne. Straßenbau sei eine wesentliche Aufgabe von Kommunen, und Tiefbaufirmen wie die seine seien deshalb gebucht. Aber: Der Energieaufwand ist ziemlich hoch. 25 Liter Diesel und mehr fressen seine Lkw auf 100 Kilometer, die Bagger brauchen Diesel, die Transporter, die seine 200 Mitarbeiter von Baustelle zu Baustelle fahren, ebenso. Da schlagen die Spritpreise mit der Verteuerung von bis zu einem Euro ins Kontor – und auf den Baustellen komme der verteuerte Strom hinzu. Geld, das man kaum an den Auftraggeber weitergeben könne.
Christian Nitsch kann als Betreiber von Heimen, in denen Menschen gepflegt werden, nicht einfach die Heizung runterdrehen. Er ist froh, dass sein Unternehmen an der Van-den-Bergh-Straße rechtzeitig neue, gut gedämmte Häuser beziehen konnte. „Aber damit nicht genug, wir investieren auch in neue Technik, holen das Clivia-Haus im alten Hotel Cleve ins 21. Jahrhundert“, sagt Nitsch. Die Spritkosten für die vielen Fahrzeuge, die sein Unternehmen mit rund 500 Beschäftigte im ambulanten Bereich einsetzt, ließen sich auch nur schwer umlegen. Irgendwann könnte es schwer werden, für eine einzelne Insulin-Spritze aufs Land zu fahren. „Hier muss ein Umdenken stattfinden“, sagt er.
Für Jürgen Esser von HTS sind Energiekosten zwar ein Problem, der Mitarbeitermangel sei aber ein größeres Thema. Für HTS, die auch ein Büro in Rotterdam haben, fahren 15 Lkw Waren vom niederländischen Nordseehafen an den Niederrhein: Es gehe darum, Ware von Fernost zu verzollen und nach NRW zu bringen, Container-Trucking anzubieten. Da sei der Spritverbrauch seiner Lkw nur ein Teil der Kalkulation. „Und was wir transportieren, ist bei einem Container dann auch egal“, sagt Esser. Er setzt vor allem auf Flexibilität.
Claudia Dercks von den Stadtwerken zufolge können viele Betriebe in Kleve bis Ende 2023 relativ beruhigt auf die Energiepreise gucken: „Wir haben hier einen komfortablen Anteil an Kunden, die die ,Clever-‘ oder ähnliche Verträge abgeschlossen haben“, sagt die Stadtwerke-Geschäftsführerin. Langfristig sei die Situation in Teilen der Wirtschaft, aber auch bei Privatkunden angespannt. Man müsse beobachten, wie sich die steigenden Preise auf die Kaufkraft auswirken. Alle hofften, dass die Hilfen greifen und die Kosten bald wieder sinken. Christoph Thyssen erklärte, dass die Banken hier schon erste Auswirkungen merken: „Die Menschen legen Geld zurück für schlechte Zeiten, doch schon jetzt ist merklich weniger Geld da, das gespart werden könnte“, sagt er.
Bürgermeister Wolfgang Gebing geht vergleichsweise optimistisch ins kommende Jahr: In Gesprächen habe er aus den in Kleve ansässigen Unternehmen gehört, dass sie flexibel genug sind, auf die hohen Energiepreise zu reagieren. Zum Beispiel, indem sie Solaranlagen aufbauen. „Wir helfen, indem wir mit entsprechenden Bebauungsplänen den Weg frei machen“, sagt Gebing. Bei Aufträgen an die Unternehmen investiere die Stadt gerade im Schulbau eine Viertelmilliarde Euro. Allerdings seien das Aufträge, die eher an größere Unternehmen in der Region gehen und nicht den kleineren helfen, denen im kommenenden Jahr angesichts steigender Preise die Aufträge wegbrechen.
Info
Claudia Dercks , Stadtwerke Kleve, Jürgen Esser, Geschäftsführer HTS Hüttges Transport Service, Bürgermeister Wolfgang Gebing, Christian Nitsch, Clivia-Gruppe, Franz- Josef Schoofs, Energieberater Schoofs Umwelt- und Energieberatung, Nicky Siebers, Gebrüder Siebers Tiefbau GmbH und Christoph Thyssen von der Volksbank Kleverland.