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Hommersum zeigt Landleben pur

Der Bewertungskommission des Dorfwettbewerbs wurde im Gocher Grenzdorf ein abenteuerliches Programm geboten. Mit welchen Themen Hommersum seine Zukunft sichern will und wer aktiv daran mitwirkt, dass das gelingt.

VON ANJA SETTNIK

GOCH-HOMMERSUM | „Ab wann läuft die Zeit?“ Die handelnden Personen, abgesehen vom entspannt wirkenden Projektleiter Heinrich Derijk, sind ziemlich nervös. Sie ahnen, dass die Zeit in jedem Fall knapp wird, denn sie haben nur zwei Stunden, um die Bewertungskommission von der besonderen Qualität Hommersums zu überzeugen. Eine Probefahrt haben sie vorab gemacht, um abschätzen zu können, wie lange es braucht, um in Kurzvorträgen alles unterzubringen, was Hommersum so lebenswert macht. Der uralte „Bus“, mit dem die Gruppe über Land holpert, ist dabei eine sichere Bank, denn einen möglicherweise störanfälligen Motor hat das Gefährt nicht. Der Waggon wird von einem zuverlässigen Traktor mit ebensolchem Fahrer gezogen – alle kommen im vorgegebenen Zeitrahmen am gewünschten Zielort an.

Die Kurzreise hatte auf dem Gelände des Tiefbauunternehmens Siebers begonnen. 2012 hatten die Brüder Siebers das frühere Munitionsdepot von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben übernommen. Genutzt werden wie damals Hallen, Büros, Straßen – weitere Flächenversiegelung war nicht nötig, das hört die Kommission gern. Denn Nachhaltigkeit, ein wertschätzender Umgang mit Natur und Umwelt, ist inzwischen neben einer Verbesserung der ländlichen Infrastruktur, einem lebendigen sozialen und kulturellen Miteinander und der Bewahrung der Baukultur ein ganz wichtiges Thema beim Wettbewerb. „Ein Dorf mit Zukunft“ hat der Heimat- und Verkehrsverein mit seinen vielen Mitstreitern als Titel über die Rundfahrt geschrieben, denn darauf kommt es an: dass die Menschen in den Dörfern nicht nur ihre Vorgärten in Ordnung haben, wie es der früher als „Blümchenwettbewerb“ karikierte Wettstreit erwartete, sondern dass sich dort gut und gerne auch in Zukunft leben lässt.

Wobei die Hommersumer durchaus auch die Schwachstellen ihrer Heimat beleuchten: dass 497 Einwohner nur die Bio-Büdchen von Bodden für einige wenige Lebensmittel nutzen können – einen Laden gibt es nicht. Eine Schule existiert schon lange nicht mehr, um seinen Kindergarten bangt das Dorf immer wieder mal. Noch gibt es keine Glasfaser, der Radweg Richtung Stadt sei in „desolatem Zustand“, und es werde immer schwieriger, die Jugend im Dorf zu halten. Wenn die auch nicht selten nach Ausbildung oder Studium zurückkehre. Nicht zuletzt für sie hat die Stadt schließlich kürzlich 15 Bauplätze in Hommersum ausgewiesen, damit eine gewisse Entwicklung möglich ist.

In Erinnerung bleiben bei den Kommissionsmitgliedern wird vermutlich die Schockelfahrt in dem Anhänger, den Puppenspieler Heinz Bömler dem Heimartverein für diesen Zweck ausgeliehen hat. Kreuz und quer über die Wirtschaftswege zwischen der Landesgrenze und dem Nachbardorf Asperden, vorbei an Höfen, besonderen Projekten, der Viller Mühle, einem romantischen Angelgewässer, einem Connemara-Gestüt, der Werkstatt einer Keramikerin – sehr abwechslungsreich war die Tour. In der Pfarrkirche St. Petrus gab’s sogar ein kurzes Chorkonzert und ein frisch restauriertes Messgewand aus dem 13. Jahrhundert zu bewundern.

Wenn der Fachmann für den jeweiligen Halt nicht ohnehin an Bord des Gefährts war, dann stieg er für drei Minuten zu und erläuterte, was gerade zu sehen war. Wie der alte „Panneschop“ oder eine ehemalige Scheune zu einem Wohnhaus umgebaut wurden, warum die Ackerfreunde „Städtern“ Parzellen zum selbst Bewirtschaften anbieten, was der Pippersclub mit seinen historischen Gerätschaften so macht und wo es seine besonderen Kartoffeln zu essen gibt – alles das wurde berichtet. Landwirte wie Christoph Pellen, Markus Boekholt oder Jens Bodden (zudem Vorsitzender des HVV) sprachen über ihren Beruf im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit, Tierschutz und Biodiversität. Ein westirisches Reitpony der Familie Deryck galoppierte in gemessenem Tempo über ein Viereck, als die Gruppe das Gestüt Viller passierte, Imkerin Kirsten Kotters erzählte von ihren Bienen, deren Honig sie direktvermarktet. Die kunstvolle Keramik von Katrin König hatte man „zum Gucken“ an eine Außenwand gehängt. Vermutlich noch wichtiger: Begeistert berichtete sie von der liebevollen Aufnahme, die ihr als Zugezogener das Dorf bereitet habe und wie leicht es sei, integriert zu werden – wenn man dies wolle.

Nach einem Stopp am Dorfplatz mit der beliebten Kneipe „Bei Regi“ ging es zur ehemaligen Schule, die durch viel Eigenleistung der Bürger zu einem Dorfhaus für die Vereine wurde. Dort gab es zu Wasser oder einem Pils noch Pizzabrötchen aus dem öffentlich und durch Sponsoren geförderten Backhaus.

INFO

So setzte sich die Reisegruppe zusammen

Kommission Vorsitzender der Kommission auf Kreisebene ist Landrat Christoph Gerwers. Vertreter des Kreisverbands für Heimatpflege, der Landwirtschaftskammer und der Bezirksregierung besuchen dieser Tage alle teilnehmenden Ortschaften.

Rundfahrt Im Anhänger war auch für HVV-Mitglieder Platz.

 

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